FRIEDENSGESPRÄCHE 2
584 Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine luden die Performerin Annette Dorothea Weber, Sounddesigner Mike Rausch, Tänzerin Georgia Begbie, die Percussionisten Peter Hinz und Michele Ciccimarra und das Künstler*innenduo illig & illig erneut zu den Friedensgesprächen ins rheinland-pfälzische Fischbach bei Dahn ein.
Unter dem Motto „Bleibt hoffnungsvoll – bleibt offen!“ wurde von den Künstler*innen ein musikalisch-poetischer Moment geschaffen, um Ängste, Wut, Trauer, Hoffnungen und Ideen in Sprache zu übersetzen. Eingeladene und Vorbeikommende konnten bei Annette Dorothea Weber am Tisch Platz nehmen und über ihre Gefühle und ihre Friedensideen sprechen. Ihre Zeichnungen dienten dabei als Gesprächsanlass. Darauf zu sehen waren Figuren, die eine Friedensfahne hochhalten, in denen bestimmte Aussagen zu lesen waren, wie zum Beispiel „Traurig, na und?“. Wer nicht selbst sprechen mochte, konnte der Musik lauschen, dem Tanz und den Figuren zusehen, die das Gebäude künstlerisch bespielten.
Wie auch im vergangenen Jahr fanden die zweiten Friedensgespräche am ehemaligen Sonderwaffenlager Area One in Fischbach bei Dahn statt, wo zwischen 1970 bis 1991 atomare Massenvernichtungswaffen gelagert wurden. Heute ist es ein Erinnerungsort, für viele ein Mahnmal.
Bis in die 90er Jahre fanden auf der Area One Antikriegsdemonstrationen und Sitzblockaden statt – auch gegen die Lagerung von Giftgas, was bis heute umstritten und unaufgeklärt bleibt. Eine Besucherin erzählt, dass sie in der Zeitung von den Friedensgesprächen gelesen habe. Sie sei damals an den Sitzblockaden beteiligt gewesen. Sie sucht sich das Bild mit dem Titel „weiter reden!“ aus. Es frustriere sie, dass die Menschen viel zu wenig reden – zu wenig über den Krieg in der Ukraine und zu wenig über andere Kriege und Konflikte. Sie fühlt sich ohnmächtig angesichts der Untätigkeit der Menschen.
Auch Jürgen Rubeck, Vorsitzender des Vereins IG Area One, der diese Kunstaktion mit ermöglicht, setzt sich dazu. „Baut Brücken statt Mauern“ steht auf dem Bild, welches er sich aussucht. Früher war er bei der Bundeswehr und bezeichnet sich als ehemaligen „Kalter Krieger“. Er betont, wie wichtig es sei, wirksam zu sein: „Auch im Kleinen kann man Dinge verändern.“ Handeln und wirksam werden, lautet sein Appell.
Währenddessen ertönen vom Dach des Depots Mike Rauschs Kompositionen am Klavier. illig & illig wandeln wortlos als schwarz-weiße, etwas verstörende Figuren über das Gelände zu seinen „traurigen Tänzen“. Peter Hinz begleitet ihn, er spielt auf der Hang und der Cajon dazu. Tänzerin Georgia Begbie interagiert mit Hinz auf dem Dach, gleich neben dem martialischen Wachturm, in einem stetigen Abtasten bewegen sie sich zwischen Nähe und Distanz. Michele Ciccimares Rufe auf der Ocarina ertönen dazwischen, wie ein Ruf aus dem Wald selbst, der aber aus dem inneren des Kriegsgebäudes kommt.
Zwei junge Menschen haben sich in den Kofferraum ihres Autos gelegt, den Kofferraum geöffnet der Performance gelauscht, den Gedichten von Goethe und Rilke vom Tod und der Zerstörung durch den Menschen, die Annette Dorothea Weber und Georgia Begbie vorlesen. Sie mögen „Lost Places“, sagen die zwei Besucher*innen, also verfallene Orte, die sich die Natur zurückerobert.
Über allen Gipfeln ist Ruh`,
In allen Wipfeln spürest du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.
Goethe